„Ich werde töten, Ich werde töten, denjenigen, der meine Schwester getötet hat!“
Ich schreibe dies, weil ich frustriert bin. Ich bin frustriert mit der Reaktion zum Aufstand in Iran. Ich bin frustriert, wie diese leider nicht überraschend ist, wenn wir uns anschauen, wie sich die Diskussionslandschaft um den Hidschab und Feminismus in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat.
Das Verständnis vom Hidschab, welches gerade, besonders bei Linken, beliebt ist, ist eines, das sich daran klammert, dass es ein an sich neutrales Kleidungsstück, mit einer unspezifizierten persönlichen und spirituellen Bedeutung, ist, welches aus freiem Willen getragen wird, außer es gibt überwältigende Beweise, die das Gegenteil zeigen.
Aber wie wir in den Reaktionen auf den Aufstand gegen den unfreiwilligen Hidschab in der Islamischen Republik sehen, müssen wir selbst dann noch einen Weg finden um zu sagen, dass der Aufstand am Ende „nicht über Hidschabs“ ist. Und ich frage mich warum eigentlich. Wieso kann es nicht sein, dass der Aufstand genau das ist, wonach er aussieht? Wieso ist es so unmöglich sich vorzustellen, dass Menschen, die, angefangen mit 6 Jahren und ganz egal welche religiösen Vorstellungen oder persönliche Wünsche sie haben, ihr ganzes Leben gezwungen wurden den Hidschab zu tragen, das verdammte Teil hassen?
Mit unseren Protesten wird sich nie unter unseren Bedingungen beschäftigt. Sie werden immer durch die Linse von anderen gefiltert. Entweder durch die „Frau in Nöten“ der Amerikanischen Rechte, oder der des CIA oder NED gesponserten Coups des Linken Narratives, und, bestenfalls, das unbedeutendste und hohlste Bekenntnis von „Solidarität“, bevor sofort dazu übergesprungen wird, darüber zu reden, wie wir unverhältnismäßig viel Aufmerksamkeit bekommen, oder über die europäischen Hidschabverbote und wie diese genauso schlimm sind. Selbst viele Anarchist*innen sind zögerlich damit über den Hidschab und das muslimische Patriarchat als den Ursprung des Problems zu reden.<fn>Auf der einen Seite geben weiße amerikanische Reaktionäre vor, sich um unsere Unterdrückung zu kümmern, damit sie es moralisch lizenzieren können, uns zu bombardieren, „um unsere Frauen zu retten“ – das Narrativ der „Jungfrau in Not“. Auf der anderen Seite leugnen weiße amerikanische Linke, dass unsere Unterdrückung überhaupt existiert, weil sie denken, dass wenn sie anerkennen, dass wir – queere und trans Iraner, iranische Frauen, iranische Kinder – unterdrückt werden, bedeutet dies, dass sie moralisch verpflichtet sind, uns zu bombardieren. Weit davon entfernt, das Narrativ der Rechten zu bekämpfen, können sich weiße Linke, die im paternalistischen patriarchalischen Rahmen der „Bürde des weißen Mannes“ verwurzelt sind, keine Solidarität aussieht wie „die Kontrolle über die Situation übernehmen“. Die nicht nach Intervention „zu unserem eigenen Besten“ aussieht. Die Tatsache, dass sich weiße Linke keine „Solidarität“ mit den Unterdrückten und Ausgegrenzten einer imperialisierten Region vorstellen können, ohne zu dem scheinbar unvermeidlichen Schluss zu kommen, dass die Bombardierung unserer Häuser völlig gerechtfertigt ist, um „uns zu retten“, signalisiert nicht, dass ihr an „westliche Propaganda“ vorbeischauen könnt, sondern signalisiert, dass ihr euch Solidarität überhaupt nicht vorstellen können.</fn>
Für Jahre hat sich das was „muslimischer Feminismus“ genannt wird und ein großer Teil des postkolonialen Feminismus um die Perspektive von Diaspora Muslim*innen gedreht. Fast nie gibt es eine Anerkennung des Faktes, dass Diaspora Muslim*innen in einem anderem sozialem Kontext sind als die Muslim*innen zu Hause. Dies bedeutet, dass sie andere Anliegen in ihrem täglichen Leben, andere Schwerpunkte, und ja, Lücken in ihren Perspektiven haben, die das Resultat davon sind, dass sie nicht mehr von einem muslimischen Patriarchat mit politischer Macht umgeben sind.
Es ist sehr leicht vom Hidschab als eine Wahl zu reden, wenn es für dich eindeutig eine Wahl ist. Es ist leicht und oh so kostenlos für dich, für dein Wohl und dein Wohl allein, so zu tun, als ob der Hidschab grundlegend eine Wahl ist. Selbst wenn es durch das Wort des Gesetzes und konstanter staatlicher Überwachung forciert wird. Selbst wenn sie ins Gefängnis gesperrt werden, wenn sie es nicht tragen. Selbst wenn sie auf jedem Level, von zu Hause, zur Gemeinschaft, zur Regierung, durch Mechanismen der Kontrolle dazu gedrängt werden den Hidschab zu tragen, könnte dies noch fein sein, so lange wir uns vorstellen, dass alle, die dazu gedrängt werden den Hidschab zu tragen es, durch einen bequemen Zufall, zufälligerweise lieben! Wow, unsere Gemeinschaften sind so harmonisch! Sie funktionieren wie eine gut geölte Maschine, und der Wille der Menschen stimmt zufälligerweise mit dem Willen des Staates überein. Es gibt keinen inneren Kampf.
Natürlich wird dies nie in solch exakten und auffällig orientalistischen Worten gesagt. Da ist immer ein Knochen, der der Idee eines inneren Kampfes und unserer Autonomie zugeworfen wird. Aber dieser Kampf wird immer als unverständlich für Zuschauer dargestellt. Wir machen Feminismus auf unsere Art und Weise. Aber macht euch keine Sorgen! Unsere Bedürfnisse sind nie die, von welchen ihr denkt, dass sie es sind. Wir kümmern uns eigentlich nicht um Hidschabs. Es ist nicht hoch auf unserer Liste. Siehst du, es ist nur ein Teil unserer Kultur. Es ist nur Kleidung. Schau dir all die Frauen in Teheran an, die bunte und schöne Hidschabs tragen! Wenn sie es nicht so sehr mögen würden, würden sie doch sicherlich nicht so ein Fashionstatement machen!
Diese zusätzliche „Komplexität“ schützt vielleicht vor den Vorwürfen von Orientalismus, aber funktioniert am Ende gleich. Es erzählt dir, dass wir alle entweder okay damit sind, oder es unter uns selbst klären. Schau dir auf die eigene Nase, schau nicht hin (selbst wenn wir danach fragen), hilf nicht (selbst wenn wir nach Solidarität flehen), halte einfach deinen Mund. Etwas rassistisch sich einzumischen, weißt du.<fn>In einem Austausch mit der iranischen Feministin Attousa H. demonstriert Foucault auf etwas berüchtigte Weise, wie weiße europäische cis männliche Akademiker oft Formen des weißen rassistischen Patriarchats durch epistemische Gewalt ausüben. Foucault unterstellt, dass iranische Feministinnen, wenn sie die Frauenfeindlichkeit des Khomeini Regimes kritisieren und über den Terror des obligatorischen Hijab sprechen, der durch Gewalt erzwungen wird, einfach Islamophobe sind (obwohl er dieses viel jüngst popularisierte Wort offensichtlich nicht verwendet), geblendet von einem irrationalen (wesen könnte versucht sein, hysterischen) „Hass“ zu sagen. Dadurch gestaltet er den Widerstand gegen den obligatorischen Hijab so, als könne er unmöglich „authentisch iranisch“ sein, wie Rafia Zakaria, Autorin von „Against White Feminism“, in einer Rezension eines Buches aus dem Jahr 2005 über Foucaults Engagement für die iranische Revolution beschrieb.
In „Oppression“ beschreibt David Graeber das subtile Köder-und-Wechsel-Spiel des weißen Anthropologen, der sich durchs selbst Recht geben zu entscheiden, was eine authentische „einheimische Kultur“ ist und was nicht, sich immer noch als die epistemische Autorität mit der Fähigkeit darstellt, zu entschieden was „authentisch“ zu einer indigenen Kultur ist, um so die Authentizität abweichender indigener Perspektiven zu leugnen, denn was authentisch ist, ist bequemerweise immer auch das, was sich der lokalen „Autorität“ anpasst. Iranische Frauen werden somit doppelt epistemisch überschrieben: von ihrem eigenen Patriarchat und von dem weißen rassistischen Patriarchat, das ankommt und ihnen sagt, dass sie keine authentischen Iraner*innen sind, wenn sie eine andere Geschichte über ihr Leben erzählen als die Geschichte, die ihre Patriarchen erzählen. Das übliche Argument muslimischer Feminist*innen in der Diaspora lautet, dass der weiße Blick davon besessen sei, die Hijabi Frau auf eine fetischistische, orientalistische Weise zu „enthüllen“, und betont, dass Frauen den Hijab durch ihre eigenen Wahl tragen können, aber die Beschränkung der Kritik auf diesen Punkt verschleiert diesen gleichermaßen fetischistischer und orientalistischer, aber scheinbar „wohlwollenderen“ Blick der weißen Liberalen – besessen davon, die SWANA Frau „wieder zu verhüllen“ und „wieder zum Schweigen zu bringen“, sie wieder unter die Autorität ihres Patriarchen zu stellen und die Illusion der Zustimmung neu zu erschaffen. Stimmt sie nicht zu, kann sie schließlich kein „authentisches“ Mitglied ihrer Kultur sein.
Vor diesem Hintergrund wird das Verbrennen des Hijabs zu einem Akt des permanenten, unmissverständlichen Widerstands: Iranische Frauen und trans Männer legen nicht nur ihren erzwungenen Hijab ab, unter Gefahr ihres eigenen gottverdammten Lebens, sondern erklären, dass sie dies niemals „sich wieder verhüllen“ können noch werden, selbst nicht durch das Beharren weißer liberaler und muslimischer Diaspora Feministinnen darauf, dass Verschleierung eigentlich die „feministische“ Sache ist.</fn>
Dies ist eine „hauseigene“ Sache.
Nichts zu sehen, geh weiter!
Ignoriere den Schatten des Patriarchats, der den Gürtel abnimmt.
Sie sagen, dass unsere Proteste über „die Kontrolle der Regierung“ über den Körper von Frauen ist, als sei „die Regierung“ die einzige Entität, die je Kontrolle über die Körper seiner Untertanen haben kann. Als ob das transferieren der Verwaltung der patriarchalen Gewalt vom Staat zur Familie oder der Gemeinschaft eine große Verbesserung wäre. Mit dieser lauwarmen „Solidarität“, die wir für die Proteste gegen das vom Staat kontrollierte Patriarchat sehen, habe ich nicht viel Hoffnung, dass sie irgendeinen Engagement fürs Ende (oder auch nur für die Anerkennung) des muslimischen Patriarchats auf diesen Stufen zeigen werden.
Diese Darstellung von „Regierungskontrolle“ erlaubt ehrlich gesagt zudem für einen irreführenden Vergleich des europäischen Hidschabverbotes und dem unfreiwilligen Hidschab. Dies ist eine andere Form der Unterdrückung. Es ist ein innergemeinschaftliches, muslimisches Patriarchat. Es ist nicht das rassische Patriarchat, das von weißen Europäern rassifizierten Frauen aufgezwungen wird. Muslimische Frauen erfahren beides. Aber es scheint als ob es nie der richtige Zeitpunkt ist über das Erstere zu reden, selbst dann nicht wenn es passiert. Es ist bizarr zu hören wie muslimische Frauen dadurch Solidarität zeigen indem sie über europäische Hidschabverbote reden, als ob dies die einzige Referenz für einen Vergleich ist, die sie dafür haben, wie es ist, zwanghafte Kontrolle zu erfahren. Als ob es keine patriarchale Kontrolle in ihren Gemeinschaften gäbe, und das einzige woran sie der unfreiwillige Hidschab erinnern kann, ist, wenn weiße Leute versuchen Hidschabs zu verbieten. Es hat das Aussehen einer Aussage der Solidarität, aber dadurch, dass es von Leuten kommt, die einen ähnlichen Kampf wie unseren haben müssen, fühlt sich das Nichtreden über diesen Kampf mehr wie eine Ablenkung an. Es ist nie nur eine Aussage über die Grausamkeit des unfreiwilligen Hidschabs. Es kommt immer mit dem Anhängsel „Hidschabverbote sind genau so schlimm!“
Es ist, als ob es unmöglich für Diaspora Muslime wäre, Solidarität für uns zu zeigen ohne den Kampf, über den wir einfach nicht reden, ins Zentrum zu stellen. Und da dies von Leuten kommt, die beide erfahren, scheint dies keine ignorante Art der Selbstzentrierung zu sein. Es fühlt sich wie ein leiser Versuch an die Aufmerksamkeit vom muslimischen Patriarchat wegzulenken.
Ich muss betonen, dass keine Einzige dieser „Feminist*innen“ ein einziges Wort über den unfreiwilligen Hidschab in den letzten vierzig Jahren gesagt hat. Sie haben nicht einen einzigen Finger für uns gehoben. Über den Kampf von Frauen, queerer und trans Personen, religiöser Minderheiten und unterdrückter Volksgruppen in Iran zu reden ist für Linke politisch „unbequem“. Wir sind alleine in unserem Kampf. Trotz all der Aufschreie von Linken über unverhältnismäßige Medienaufmerksamkeit auf uns, hat uns diese nichts gebracht. Das letzte Mal als es massive Proteste gab starben 1500 Menschen. Erinnert ihr euch überhaupt daran? Jeden Tag haben wir mehr zu trauern und uns wird gesagt, dass die Welt uns zu viel Aufmerksamkeit gibt, und dass sich dieser Aufmerksamkeit mit Misstrauen genähert werden muss.
Der unfreiwillige Hidschab hat eine viel längere Geschichte als jedes Hidschabverbot in Europa. Es existiert als ein Instrument des muslimischen Patriarchats seit dessen Beginn, auf einer ununterbrochenen Linie von damals zu heute.<fn>
In „Status Distinctions and Sartorial Difference: Slavery, Sexual Ethics, and the Social Logic of Veiling in Islamic Law“ argumentiert Omar Anchassi, dass der Hijab im frühen islamischen Recht als Mittel zur Unterscheidung zwischen Sklavinnen diente, die als „freies Spiel“ für sexuelle Belästigung gekennzeichnet waren, und „freie“ Frauen, die durch die Autorität ihrer Väter geschützt werden. Freie (nicht versklavte) muslimische Frauen wurden somit in etwas ironischer Weise durch ihres durch aufgezwungenes eingeschränktes Sein durch Hijabs als rechtlich „frei“ gekennzeichnet, während versklavte Frauen nicht verschleiert und somit den Launen anderer „ausgesetzt“ wurden.</fn> Das noch weit mehr verbreite Phänomen von Frauen aufgezwungener „Bescheidenheit“ ist sogar noch älter. Es ist unergründlich, um ehrlich zu sein, wie allgegenwärtig die Idee vom Hidschab als „freie Wahl“ ist, bis hin zur Leugnung einer solch langen und schmerzhaften Geschichte patriarchaler Unterdrückung. Es wird bestenfalls als eine zwecklose theologische Debatte angesehen, die Muslime entfremden würde, wenn sie diskutiert werden würde. Aber dies ist eine Diskussion der Geschichte, und unserer Gegenwart. Und es wäre ein schlechter Dienst all den Opfern des muslimischen Patriarchats gegenüber, jenen in der Vergangenheit und in der Gegenwart, wenn wir ihre Misshandlung ignorieren und auslöschen und die Diskussion dieser als tabu erklären, besonders in der Gegenwart eines aktiven Versuches diese umzudefinieren und auszulöschen.
Ich war sehr verwirrt, als ich als junge queere Person im Iran zum ersten Mal Leute wie Yassmin Abdel-Magied „Islam ist die feministischste Religion“<fn>Der Islam ist die feministischste Religion‘: Zwei Australier streiten sich im Fernsehen über die Scharia: Die weitreichenden Folgen von Donald Trumps Einwanderungsverbot für Muslime.</fn> sagen hörte. Ich war perplex, wenn Leute vom Hijab als ermächtigend sprachen. Es war als ob ich gefragt wurde alles was ich über Islam, Feminismus, und die Geschichte und Gegenwart von beidem gelernt hatte zu ignorieren. Und mir wurde nichts außer den generischen islamischen Apologieredenspunkten gegeben, mit welchen ich, als im Iran aufwachsendes Kind, schon vom Bildungssystem der Islamischen Republik in der Mittelschule gefüttert wurde.
Für eine lange Zeit glaubte ich, dass sie einfach eine andere Version des Glaubens anerkennen, eine progressivere. Und als jemensch, die keine Religion hatte, war die Frage der Validität ihrer Version des Islams gleichgültig. So lange sie an der Schlussfolgerung der vollkommenen Befreiung vom Patriarchat ankommen, muss ich nicht das Innenleben ihres Glaubens untersuchen. Doch als ich sah wie diese „feministischen“ Muslime Frauen, und queere und trans Leute behandelten, die den Glauben durch das enorme Gewicht der muslimisch-patriarchalen Gewalt verlassen hatten, und wie ihre Priorität die Verteidigung des Glaubens und die Nichtexistenz der Widersprüche zwischen Islam und Feminismus oder queerer Befreiung, oft auf Kosten der Opfer, war, realisierte ich, dass diese muslimischen „Feminist*innen“ und „queere Befreier*innen“ das muslimische Patriarchat einfach nicht als schädlich genug ansahen um darauf einen Fokus zu legen. Sie sahen nicht die Tiefe seiner Wurzeln und seine Allgegenwärtigkeit.
Ihr Fokus war darauf die Gewalt von diesem Patriarchat umzudefinieren, so das es aussieht als ob sie in Intensität und Art gleich (oder weniger!) mit dem westlichen Patriarchat wäre, und Antworten auf diese patriarchalische Gewalt als von Islamophobie und Rassismus motiviert anstatt als von echter Fürsorge für diese unterdrückten Gruppen motiviert zu gestalten. Selbst als diese Reaktion von diesen Opfern kam, wurden sie als Verräter gebrandmarkt, die imperialistische Aggression unterstützten, nur dadurch, dass sie über ihr Leiden sprachen. In Wahrheit taten diese Feminist*innen und Queer-Theoretiker*innen tatsächlich nichts anderes, als das Blut von den Händen des muslimischen Patriarchats zu waschen, indem sie ein Verständnis von Feminismus entwickelten, das als ideologischer Deckmantel für dieses Leid diente.
Der Hidschab ist ein Werkzeug des Patriarchats seitdem es als ein religiöses Mandat am Anfang des Islams kodifiziert wurde. Wir alle müssen dazu frei sein mit unseren Körpern alles machen zu können was wir uns wünschen und das betrifft auch das Tragen des Hidschabs. Aber jede Reklamation des Hidschabs als eine Form der Ermächtigung sollte zumindest mit dem Verständnis der gegenwärtigen und historischen unterdrückenden Funktion des Hidschabs in den meisten Teilen der muslimischen Welt anfangen. Aber ich sehe keine Anerkennung dieser Geschichte oder Gegenwart. Alles was ich sehe ist die Verleugnung der Idee, dass der Hidschab zu irgendeinem Ausmaß patriarchisch ist oder je war.
Ich bin ermüdet von Leuten, die schockiert spielen, dass wir durchs sehen, dass andere unsere Ketten als eine Quelle des Stolzes tragen, während sie leugnen, dass es je Ketten waren, verstört sind. Ich bin ermüdet von euren Ausdrücken der Verachtung für jene die diese Ketten brechen. Ich bin ermüdet von Leuten die mit dem Flow der gegenwärtigen patriarchalen Erwartungen gehen und es subversiven Feminismus nennen.
Ich weiß nicht, wie der Hidschab in eine Zukunft passt in welcher der Zwangsgedanke von Gender nicht länger existiert, und das ist jene Zukunft die ich will. Es fällt mir schwer zu glauben, dass eine gegenderte Erwartung von Kleidung reinpassen wird, wenn Gender nicht das ist was es jetzt ist. Wie weit entfernt vom Weiblichkeit muss sich eine transmaskuline Person fühlen um das Tragen des Hidschabs zu stoppen? Wie nahe zu Weiblichkeit soll sich eine transfeminine Person fühlen um es tragen zu müssen? Was wird mit dem Hidschab passieren wenn Mann und Frau nicht länger Referenzpunkte in der Landschaft von Gender sind?
Ich frage dies nicht als Etwas hypothetisches. Ich frage dies, weil ich mich an die doppelt verletzende Erfahrung meiner transmaskulinen Brüder, gezwungen den verdammte Hidschab zu tragen, erinnere. Ich sage dies, weil ich transfeminine Leute kannte, die keinen Hidschab tragen mochten, und deren Erwiderung zu der Frage „Wieso trägst du keinen Hidschab, wenn du eine Frau bist?“ „Ich bin trans“ war. Dies mag unsinnig im patriarchalen Verständnis von Gender klingen, aber es macht perfekten Sinn für mich. Weil was bedeuten eure Regeln für eine Person die deren Grundlage ablehnt verdammt nochmal? Wie funktioniert der Hidschab für die Leute, die es nicht WOLLEN sich an die aufgezwungene Vorstellung von Weiblichkeit und Männlichkeit anzupassen? Wird Hidschab wirklich Hidschab sein, wenn es wahrhaftig eine Wahl ist? Ich weiß, dass es Antworten auf diese Fragen gibt, aber ich weiß auch wer NICHT nach diesen sucht: diejenigen die so tun als ob der Hidschab bereits standardmäßig eine „freie Wahl“ ist. Es ist für mich bizarr, dass wir uns frei fühlen zu diskutieren, wie die oberflächlich „freie“ Wahl, die Frauen im Westen über ihre Kleidung machen, wie zum Beispiel keinen BH zu tragen, von patriarchalen Zwängen durch viele Mechanismen beeinflusst wird. Aber es wird von uns erwartet anzunehmen, dass die Wahl von muslimischen Frauen fast ihren ganzen Körper zu bedecken frei von allen Formen patriarchaler Erwartungen ist. Es wird angenommen, dass der Bereich von Wahlmöglichkeiten, die muslimische Frauen machen wollen, immer darauf begrenzt sind, was ihnen unterm muslimischen Patriarchat erlaubt ist, aber irgendwie wird ebenso angenommen, dass dieser enge Bereich ein Ausdruck von freier Wahl ist, unbelastet vom Gewicht der patriarchalen Kontrolle.<fn>Das Patriarchat (insbesondere die Vergewaltigungskultur) fabriziert und erzwingt bekanntermaßen eine Form der scheinbaren „Konsens“ seitens unterdrückter und marginalisierter Geschlechter oder den Anschein von Konsens – sogar den Anschein „begeistertem Konsens“ – durch verschiedene Formen physischer, sozialer, wirtschaftlicher und epistemischer Gewalt. Ein Mittel, dies zu tun, besteht darin, die verfügbaren Handlungsformen des unterdrückten oder untergeordneten Subjekts auf eine begrenzte Reihe von Wahlmöglichkeiten zu beschränken, bei denen das unterdrückte Subjekt eine Wahl trifft, und daher kann es den Anschein haben, dass es einen „freien“ Willen ausübt. Ein weiteres Mittel, durch das „Konsens“ seitens der Unterdrückten hergestellt wird, ist durch Formen der epistemischen Ungerechtigkeit – Ungerechtigkeit, die einer Person in ihrer Eigenschaft als Wissende, in ihrer Fähigkeit, ihre Erfahrungen der Welt zu interpretieren und zu erzählen zugefügt wird – als Referenz, siehe Miranda Frickers Arbeit über epistemische Ungerechtigkeit. Hermeneutische Ungerechtigkeit beschreibt die Art und Weise, wie patriarchalische Gesellschaften marginalisierte Geschlechter epistemisch einschränken, indem sie uns die Sprache und Begriffe nehmen, mit denen wir unsere Unterdrückung beschreiben könnten, und indem sie uns in einem System von „Wissen“ und Glauben – oder Religion, je nach Fall – gefangen halten – wo die einzigen verfügbaren Interpretationen dessen, was uns passiert, uns alle dasselbe sagen: es hat dir gefallen, du hast dem zugestimmt, du hast deinen Konsens gegeben. Am Beispiel der Behauptung, dass Frauen kein modisches Statement aus dem Tragen bunter und hübscher Kopftücher machen würden, wenn sie dem Tragen nicht von vornherein nicht „Konsens“ gegeben hätten, stehen Frauen im Iran vor der Wahl: Tragen Sie einen farbenfrohen und hübschen Hijab und haben Sie die Möglichkeit, etwas von Ihrer Innerlichkeit und individuellen Persönlichkeit auszudrücken, oder tragen Sie einen einfachen Hijab. Die „Wahl“ liegt bei ihnen, und wenn sie sich dann für eine entscheiden, kommt die patriarchalische Herstellung von Zustimmung zu dem Schluss, dass es freies Handeln sein muss, dass sie dem Tragen des Hijab „Konsens“ gegeben haben und es genießen, unabhängig davon, ob sie es wirklich tun oder ob sie solche Entscheidungen in einer Situation treffen, in der die Alternative darin besteht, von der Moralpolizei getötet zu werden, also können sie genauso gut das Beste aus der Situation machen.
Sogar die Religion bietet ein Interpretationssystem, in dem der Hijab als „erwünschte“ Wahl angesehen wird, zumindest wenn Frauen sich selber als gläubig und respektabel ansehen sollen. Aber auf eine subtilere Weise helfen muslimische Feminist*innen der Diaspora, die sich selbst zu nicht gewählten „Repräsentanten“ machen, ein Wissenssystem zu schaffen (und iranische Frauen darin einzusperren), in dem Frauen bestätigen müssen, dass sie freiwillig Hijab tragen oder als solche ausgelegt werden „die uns/unsere Kultur schlecht aussehen lassen“ und ihr Volk verraten, das von amerikanischen Konservativen als „Barbaren“ und „Unmenschen“ verleumdet wird. Das soll nicht heißen, dass es keine Hijabi Frauen gibt, die den Hijab freiwillig tragen, sondern dass es keine externe Position gibt, nicht einmal die der muslimischen Feminist*in in der Diaspora, von der aus es möglich ist, den Konsens einer Frau in einem Kontext, in welchem sie es tragen oder sterben muss, zuverlässig zu „interpretieren“. Es ist nötig beides zu tun: 1. die Machtstrukturen zu verstehen, in denen sie ihre Entscheidungen trifft, und 2. ihr tatsächlich zuzuhören, wenn sie für sich selbst spricht.
Daher sprechen Frauen und trans Männer im Iran, die ihren Hijab verbrennen, in der Tat sehr deutlich, und die Bemühungen nicht gewählter Diaspora Feminist*innen, sie zu überschreiben und den künstlichen Schein des „Konsens“ wieder aufzuerlegen, sind selbst eine Form kolonialer epistemischer Gewalt im klassisschen Sinne artikuliert von Gayatri Spivak.</fn>
Für mich auch nur zu erwägen, dass der Hidschab eine „neutrale Wahl“ in der muslimischen Welt und in muslimischen Gemeinschaften, so wie sie heute existieren, ist, fordert mich nicht nur auf alles aufzugeben was ich über Gender, den Hidschab, und dessen Geschichte weiß, sondern es fordert mich außerdem auf die Hälfte meiner Bekenntnisse als eine braune trans nonbinäre Anarchafeminst*in aufzugeben.
Dieses eine Mal, lasst los von unseren Ketten.
Dieses eine Mal, hört uns unter unseren Bedingungen zu.
Dieses eine Mal, seht unsere Problem so wie es ist: Muslimisches Patriarchat
Dieses eine Mal, zeigt uns Solidarität ohne euch in den Mittelpunkt zu stellen.
Meine Leute sind am kämpfen und werden ermordet. Dieses eine Mal habt bedingungslos unseren Rücken.
– merc
Übersetzt von Cat